Ein Spaziergang durch Piacenza: Eine Reise durch Stein, Zeit und Seele
„Ein Spaziergang durch Piacenza ist wie das Erlebnis einer lebendigen Chronik, in der jedes Gebäude ein Kapitel italienischer Geschichte erzählt – Romanik, Gotik, Barock und darüber hinaus.“

📍 Start: Palazzo Farnese
Meine Reise begann im Palazzo Farnese – einer monumentalen Festung aus dem 16. Jahrhundert, die vom Architekten Jacopo Barozzi da Vignola für die einflussreiche Familie Farnese entworfen wurde.

Obwohl nie vollendet, strahlt das Bauwerk eine kraftvolle Renaissance-Grandezza aus. Rote Ziegelmauern, massive Bastionen und weite Innenhöfe zeugen vom Ehrgeiz dieser einst in Parma und Piacenza herrschenden Dynastie.

Heute beherbergt der Palast das Stadtmuseum (Musei Civici), in dem u.a. römische Artefakte und die berühmte „Leber von Piacenza“ – ein etruskisches Modell aus Bronze zur Wahrsagerei – ausgestellt sind. Im ruhigen Innenhof spürt man sowohl die Macht als auch den unvollendeten Charakter der Farnese-Ambitionen.
📍 Piazza Cavalli
Ein angenehmer fünfminütiger Spaziergang südöstlich über die Via Cittadella führt vom Palazzo Farnese ins Herz von Piacenza: zur Piazza Cavalli. Der Platz ist nach zwei eindrucksvollen Reiterstatuen von Alessandro Farnese und seinem Sohn Ranuccio benannt, die Anfang des 17. Jahrhunderts von Francesco Mochi aus Bronze gegossen wurden. Sie verleihen dem Platz eine dramatische, fast theatralische Wirkung.
🏛 Palazzo Gotico Das architektonische Highlight ist der prächtige Palazzo Gotico – eines der besterhaltenen Beispiele lombardischer Gotik in Norditalien. 1281 im Auftrag von Alberto Scoto erbaut, diente er als Rathaus und Gericht. Seine Fassade beeindruckt durch den Wechsel von rotem Ziegel und weißem Marmor, elegante Triforien und spitzbogige Arkaden auf schlanken Säulen. Gekrönt wird das Gebäude von Ghibellinen-Zinnen, was ihm eine Mischung aus Wehrhaftigkeit und Eleganz verleiht.

🏛 Umliegende Gebäude:
Östlich erhebt sich der Palazzo del Governatore – ein neoklassizistisches Gebäude mit großem Portikus, einst ein Verwaltungszentrum. Im Westen befinden sich der Palazzo INA und der Torre dell’Orologio – ein rationalistisches Bauwerk des 20. Jahrhunderts mit klaren Linien und Uhrturm. Direkt neben dem Palazzo Gotico, etwas zurückgesetzt, steht die Piazzetta Mercanti 2 – ein Gebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert neben dem Generali-Versicherungsgebäude, bekannt für seine ausgewogene Symmetrie und diskrete Eleganz.
Seit Jahrhunderten ist dieser Platz das Zentrum des bürgerlichen und wirtschaftlichen Lebens in Piacenza – ideal für einen Kaffee in einem der zahlreichen Cafés.
📍 Piazza Duomo & Duomo di Piacenza
Nur drei Minuten nordöstlich über die Via Legnano gelangt man zur ruhigeren Piazza Duomo mit der imposanten Kathedrale von Piacenza: Cattedrale di Santa Maria Assunta e Santa Giustina.
🏰 Die Kathedrale
Der Bau begann 1122 und wurde 1233 vollendet. Sie gilt als Meisterwerk der Romanik, ergänzt durch gotische und barocke Elemente. Die Fassade besteht aus rosafarbenem Veroneser Marmor und goldenem Sandstein, mit drei von Löwen bewachten Portalen, Arkaden und einer Rosette. Der 67 Meter hohe Glockenturm wird von einem bronzenen Engel gekrönt – liebevoll „Angil dal Dom“ genannt.

Das Innere ist als lateinisches Kreuz mit drei Schiffen angelegt, getrennt durch massive Säulen und romanische Bögen. Die Kuppel ist mit Fresken von Guercino und Lodovico Carracci aus dem 17. Jahrhundert geschmückt, die die Himmelfahrt Mariens darstellen. Im Chor steht ein fein geschnitzter hölzerner Chorgestühl aus dem 15. Jahrhundert sowie ein barocker Hochaltar aus Gold und Marmor.
Unter dem Chor liegt die Krypta – einer der ältesten Teile der Kathedrale. Sie besteht aus fünf Schiffen, gestützt von über 100 kleinen Säulen mit kunstvollen Kapitellen. Hier werden Reliquien der Heiligen Justina aufbewahrt, und das kühle, gewölbte Innere strahlt Heiligkeit und Ruhe aus.
📍 Basilica di Sant’Antonino
Ein fünfminütiger Spaziergang nach Norden über die Via Chiapponi führt zur Basilica Sant’Antonino – eine der ältesten und bedeutendsten Kirchen von Piacenza. Gewidmet dem römischen Soldaten und Märtyrer Antoninus, war sie bereits im 4. Jahrhundert ein Pilgerziel. Der heutige romanische Bau stammt größtenteils aus dem 11. Jahrhundert.

Auffällig ist der achteckige Glockenturm, kunstvoll verzierte Kapitelle und das langgestreckte Mittelschiff mit abwechselnden Säulen. Das Seitenportal – Porta del Paradiso – ist ein Meisterwerk romanischer Bildhauerei aus dem 12. Jahrhundert mit ausdrucksstarken biblischen Szenen im Hochrelief. Im Inneren findet man Fresken, Kreuzgänge und eine Krypta mit den Überresten des Heiligen Antoninus.
📍 Procura della Repubblica
Unmittelbar neben der Basilica di Sant’Antonino befindet sich die Procura della Repubblica, Piacenzas Hauptgerichtsgebäude. Dieses moderne Bürgerhaus wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts im rationalistischen Stil erbaut und verfügt über eine strenge, symmetrische Fassade mit minimaler Verzierung. Es steht in starkem Kontrast zur romanischen und gotischen Architektur in der Nähe und spiegelt die jüngere Geschichte Italiens mit zentralisierter Verwaltung und Rechtsstruktur wider.
📍 Comune di Piacenza – Urban Planning Department

Nur wenige Schritte weiter liegt das Amt für Stadtplanung (Comune di Piacenza – Dipartimento Assetto del Territorio). Das moderne Gebäude fügt sich harmonisch in die umgebende Architektur ein und ist zuständig für Raumplanung, Stadtentwicklung und Denkmalschutz. Seine Lage zwischen mittelalterlichen und modernen Strukturen symbolisiert den Dialog zwischen Geschichte und Gegenwart.
📍 Chiesa di Santa Maria in Gariverto
Mein Rundgang endet in der Pfarrkirche Santa Maria in Gariverto, nur fünf Minuten südlich über die Via San Siro. Abseits der touristischen Routen gelegen, bietet diese charmante Kirche Einblick in das intime religiöse Leben von Piacenza.

Die Kirche hat romanische Ursprünge und wurde später barock renoviert. Eine schlichte Steinfassade führt in ein einschiffiges Inneres mit Holzaltären, alten Freskenfragmenten und einer Atmosphäre der Stille. Ein ruhiger Ausklang eines Tages voller spiritueller und architektonischer Entdeckungen.
🌇 Conclusion
Dieser Spaziergang durch Piacenza war eine Reise durch Zeit und Raum – fast 2000 Jahre Geschichte, von der Macht der Renaissance über mittelalterliche Frömmigkeit bis hin zur modernen Justiz und lokalen Spiritualität. Jedes Gebäude erzählt seine eigene Geschichte – gemeinsam ergeben sie ein lebendiges Mosaik eines Ortes, an dem Kunst, Architektur und Alltag zu einem Ganzen verschmelzen.