Am Morgen begann ich meinen Tag am Ende der Maligne Lake Road, dort, wo der breite Forstweg zum Ausgangspunkt des Bald Hills Trails führt. Die ersten zweieinhalb Kilometer verliefen völlig unspektakulär, verborgen unter dem Dach hoher Lodgepole-Kiefern, ohne einen einzigen Blick auf die Bergwelt. Doch diese Stille hatte ihre eigene Schönheit, und ich spürte, dass sich etwas Großes dahinter verbarg.
Dann, langsam und beinahe schüchtern, blitzten die Berge durch die Bäume auf meiner rechten Seite auf. Zunächst waren es nur kleine Lichtungen, kurze Momente zwischen den Ästen, die einen Blick auf die Gipfel freigaben. Aber jedes Mal, wenn ich mich drehte oder den Kopf hob, wurde das Bild klarer und eindrucksvoller. Nach etwa drei Kilometern erreichte ich die Abzweigung zur sogenannten Abkürzung. Ich nahm den längeren, weniger steilen Weg, da dies weniger Kraft kostete. Schatten gab es hier auch öfter

Oben, am Punkt, den viele Wanderer den Bergblick nennen, legte ich eine erste Pause von ca. 15 Minuten ein. Vor mir breitete sich der Maligne Lake wie ein funkelnder Spiegel aus, umrahmt von Bergen und Gletschern. Schon hier war der Ausblick großartig, so großartig, dass ich einfach stillstehen und staunen musste.

Von diesem Augenblick an wurde jede Minute eindrucksvoller. Auf dem Grat der Bald Hills öffnete sich die Szenerie in alle Richtungen. Der tiefblaue Maligne Lake glitzerte unter mir, eingerahmt von den Gipfeln der Queen Elizabeth Ranges. Direkt gegenüber erhoben sich Samson Peak (3077 m) mit seiner markanten Spitze, daneben der sanftere, kupferfarben schimmernde Leah Peak (2810 m) und der steinig-rote Opal Peak (ca. 2740 m).

Auf den First bald summits mit seinen kahlen Gipfeln, öffnete sich der Blick rundum – 360 Grad Freiheit, mit Bergen, Tälern und Wolken bis zum Horizont. Am höchsten Punkt, bei einem kleinen Felsvorsprung mit Steinmännchen, lag mir die Welt zu Füßen: links das Tal des Evelyn Creek, rechts das Gletschermeer der Queen Elizabeth Ranges.

Weiter im Süden konnte ich die weißen Flächen der Maligne-, Charlton- und Unwin-Gletscher erkennen, die wie gefrorene Flüsse an den Hängen klebten. Besonders eindrucksvoll ragten Monkhead mit seiner Kapuzenform und der mächtige Mount Warren (3362 m) empor – dramatische, steile Wände, die in den Himmel schnitten.

Maligne Lake: More Than a View
Der Maligne Lake selbst war an diesem Tag der stille Hauptdarsteller. Mit seinen 22,5 Kilometern Länge und bis zu 100 Metern Tiefe ist er das größte natürliche Gletscherseegewässer der Rockies. Sein Wasser schimmerte in diesem unvergleichlichen Türkis, gespeist von Schmelzwasser und Eis. Ich wusste, dass irgendwo in der Ferne auch die berühmte Spirit Island lag, ein winziges Juwel inmitten dieser majestätischen Bühne.
Die Geschichte einpacken
Als ich nach knapp 15 Kilometern und 780 Höhenmetern wieder unten am See ankam, war ich erschöpft, aber glücklich. Ich hatte einen Tag erlebt, der sich wie eine Geschichte anfühlte – beginnend in dunklem Wald, dann erste zarte Andeutungen, bis sich schließlich das gewaltige Panorama der Rockies in voller Größe vor mir entfaltete.

Mein Tag am Bold Hills Loop war nicht nur eine Wanderung – es war eine Geschichte: einer voller Offenbarungen, gerahmter Ausblicke, benannter Gipfel und einem schimmernden Alpenspiegel unter ihnen allen.