Waterton – Red Rock Canyon & Blakiston Valley

September 9th, 2025

Die Straße nach Waterton war bereits eine Reise in eine andere Welt. Lange bevor ich die Tore des Parks erreichte, tauchten die Berge plötzlich auf und erhoben sich aus der Prärie wie eine Mauer. Ihre Abruptheit überrascht mich jedes Mal: endlose flache Grasländer in goldenem Licht – und dann,

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ohne Übergang, schießen die Gipfel von Sofa Mountain, Vimy Peak, Citadell Peaks, Mount Campbell, Mount Richards, Mount Grandell, Mount Galwey,

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und Mount Dungarvan (links) und Cloudy Ridge (rechts) in kräftigen Farben und scharfen Formen empor.

Ich musste anhalten. Die Szenerie war zu gewaltig, um einfach vorbeizufahren. Die Flanken der Berge zeigten Schichten aus Grau, Rostrot und Ocker, geneigt und gefaltet, wie Seiten eines Buches, das vor Millionen Jahren geschrieben wurde. Manche Grate waren messerscharf und zeichneten sich klar gegen den Himmel ab, andere lagen wie breite Schultern da, gestreift mit Schutt und Schatten.

Beim Prince of Wales Hotel stand ich auf dem Hügel und blickte hinaus. Vor mir erhob sich das Hotel mit dem Mount Grandell dahinter.

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Crandell ist an seiner Basis breit und steigt in sanften, aber stetig steiler werdenden Hängen empor. Seine Oberflächen sind von grünlich-grauen Gesteinsschichten durchzogen, unterbrochen von helleren Bändern, die im Sonnenlicht golden glänzen. Grandell, weiter zurückliegend, wirkte strenger – ein massiver Block, der den Horizont versperrte, eine Festung aus Kalkstein, die im Morgenlicht hell aufleuchtete.

Ich bog auf die Range Road 300A ab, die auch Road of Many Gorges Mountains genannt wird. Der Name passt vollkommen. Hier ist das Land aufgerissen, die Berge von tiefen Schluchten und Canyons durchzogen. Dunkle Einschnitte schneiden in ihre Flanken, während messerscharfe Grate über ihnen thronen, ihre Profile gezackt vor dem Himmel. Von hier aus konnte ich Teile der Lost–Anderson–Bauerman-Gruppe erkennen, Gipfel, die wie gemeißelte Wächter wirkten. Ihre Hänge bestehen aus rötlichem Tonstein und grauem Kalkstein, durchzogen von einem auffälligen schwarzen Band härteren Gesteins. Der Anblick zwang mich erneut zum Anhalten; ich konnte nicht widerstehen, dieses wilde Landschaftsbild zu fotografieren.

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Kurz darauf stand ich am Red Rock Canyon, vielleicht dem bekanntesten Juwel des Parks. Der Bach fließt hier zwischen Wänden aus leuchtend rotem Tonstein, der besonders im Wasser oder im schrägen Sonnenlicht feurig glüht.

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Darüber ragte der Cloudy Ridge (siehe 2. Bild oben rechts) auf, ein gezackter Kamm, dessen steile Flanken von Rinnen und Rippen durchzogen sind. Wolken verharren hier so oft, dass der Name wie selbstverständlich erscheint. Ich wanderte die kurze 0,8 Kilometer lange Runde, staunte über den Kontrast des roten Gesteins zum grünen Wald und zum klaren Wasser. Danach hielt ich Mittagspause, saß neben den glühenden Wänden des Canyons und lauschte dem Rauschen des Bachs.

Dann wandte ich mich dem Blakiston Valley Trail zu. Nach nur einem Kilometer erreichte ich die Blakiston Falls, wo der Fluss in silbernen Kaskaden zwischen roten Felsen hinabstürzt, sein Donnern die enge Schlucht erfüllt.

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Das Wasser, schäumend und stürmisch, schien beinahe lebendig, während es seinen Weg durch die uralten Schichten bahnte. Ich verweilte, dann ging ich weiter. Das Tal öffnete sich weit, der Weg führte mich noch drei Kilometer tiefer hinein, bevor ich schließlich umkehrte.

Das Panorama des Tales war majestätisch. Zu meiner Linken erhob sich der massige Mount Blakiston, der höchste Gipfel in Waterton, dessen Gestalt den Himmel dominierte.

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Seine Flanken sind steil, gestreift mit grauen Schutthalden, die Schichten des Gesteins zeichnen sich in geneigten Linien über das ganze Massiv. Daneben stand der Mount Hawkins, etwas niedriger, aber farblich eindrucksvoll. Hawkins ist ein Berg der Farben: unten Gelb- und Orangetöne, höher leuchtende Rottöne, und am Gipfel schließlich dunkles Grau.

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Auf der anderen Seite des Tales sah ich den Lost Mountain, weniger markant, mit einer runderen Form, aber dennoch ein Teil dieser rauen Landschaft.

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Daneben erhob sich der spitze Anderson Peak. Besonders ins Auge fiel mir das kräftige schwarze Querband über seiner Flanke – der Purcell Sill – das sich deutlich von den helleren Schichten abhob wie ein Pinselstrich. Es verlieh Anderson Dramatik, ein markanter Kontrast von Hell und Dunkel.

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Auf dem Rückweg begleitete mich der Anblick des Mount Dungarvan. Sein Kamm ist gezackt von Zinnen, die wie gebrochene Zähne gegen den Himmel ragen. Nahe dem Gipfel verdunkelt ein weiterer Abschnitt des Purcell Sill das Gestein, während die unteren Hänge in rostigen Rottönen und Ockerfarben leuchten. Dungarvan besitzt eine fast düstere Schönheit, als sei er mit besonderer Härte von Wind und Feuer geformt worden.

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Auch das Tal selbst erzählte eine jüngere Geschichte. Das Feuer von 2017 war hindurchgefegt und hatte verkohlte Stämme wie schwarze Skelette zurückgelassen. Doch das Leben kehrte bereits zurück. Junge Espen flimmerten mit grünen Blättern, und Kiefernsetzlinge wuchsen in hellen Gruppen, noch keine höher als meine Schultern. Sie wirkten zerbrechlich zwischen den verbrannten Bäumen, aber zugleich zäh – ein Versprechen auf Erneuerung in dieser rauen Landschaft.

Als ich den Weg zurückging, fiel das späte Nachmittagslicht auf die Grate und vertiefte ihre Farben zu Bronze und Purpur. Die Berge schienen mir nun noch näher: Blakiston hoch und gebieterisch, Hawkins in leuchtenden Farbtönen, Anderson scharf und dunkel gestreift, Lost Mountain still und beharrlich, und Dungarvan gezackt und trotzig. Gemeinsam standen sie um mich wie uralte Wächter des Tales, zeitlos und geduldig, ihre Farben wandelnd im verblassenden Licht der Sonne.


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