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Das erste Licht des Tages breitete sich wie ein goldener Schleier über die rote Wüste von Utah. Schon während der Fahrt in Richtung Devils Garden glühte die Landschaft im zarten Morgenlicht, als würde die Sonne selbst das Gestein von innen heraus erwecken. Zwischen Wacholderbüschen und graugrünen Salbeipflanzen reckten sich die gewaltigen Felsrippen – die sogenannten „Fins“ – in den Himmel. Ihre scharfen, parallelen Linien erinnerten an erstarrte Wellen, geformt aus uraltem Sand, gehärtet durch Zeit und Wind.

Ich erreichte den Trailhead am Ende der Parkstraße, wo die kühle Wüstenluft noch in den Schatten lag. Von hier aus begann mein Weg durch die zauberhafte Landschaft von Devils Garden – einem Ort, an dem die Natur ihre Geduld in Stein eingeschrieben hat.

Durch den Garten aus Stein

Der erste Halt war der Tunnel Arch, ein schmaler Durchbruch in einer mächtigen roten Wand. Das Licht fiel schräg durch die Öffnung und färbte die Felsen in einem weichen, bernsteinfarbenen Ton. Ein Stück weiter entdeckte ich den Pine Tree Arch, unter dessen Bogen eine einzelne Kiefer stand – klein, zäh, und doch vollkommen an diesen rauen Ort angepasst.

Der Pfad führte mich weiter über rötliche Sandflächen und helle Felsbänke. Die Oberfläche fühlte sich rau an, mit winzigen weißen Quarzkristallen, die im Sonnenlicht glitzerten. Auf den Steinbänken wuchsen kleine runde Zylinder aus hellem Sandstein, als hätte jemand Pilze in Stein gemeißelt. Zwischen den Fins öffnete sich immer wieder der Blick auf die gewaltige Weite des Parks – eine Landschaft aus Formen, Farben und Licht, so lebendig, dass sie fast atmete.

Landscape Arch – Die fragile Krone

Nach etwa einer Meile erreichte ich die Landscape Arch – ein Wunder aus Balance und Vergänglichkeit. Mit ihrer Spannweite von 93 Metern schwebt sie fast schwerelos über dem Tal. Im warmen Mittagslicht schien sie zu glühen, ihr dünnster Punkt kaum stärker als ein menschlicher Arm. Ich stand lange da und betrachtete sie – diesen zerbrechlichen Bogen, der seit Jahrtausenden den Kräften der Erosion trotzt und doch in jeder Sekunde zum Einsturz bereit scheint.

Irgendwo in mir regte sich eine seltsame Mischung aus Bewunderung und Unbehagen. Ich erinnerte mich daran, wie Teile dieses Bogens in den 1990er Jahren eingestürzt waren – riesige Fragmente, die augenblicklich einstürzten. Die Erinnerung an diesen Zusammenbruch blieb wie ein unsichtbares Echo. Dennoch stand es da und hielt sich fest, als wäre es sich seiner eigenen Zerbrechlichkeit bewusst.

306 fuß gnade schwebend zwischen erde und himmel

Die Wüste erinnert sich an alles außer an Eile

Der Weg machte eine Kurve, und plötzlich war er da – der Landschaftsbogen, der wie ein zartes Steinband unmöglich über die Schlucht schwebte …

Als ich darunter stand, konnte ich fast die tiefe Zeit der Erosion spüren – die stille Arbeit von Wasser und Wind …

Die versteinerte Düne hochsteigen

Hinter der Landscape Arch begann der Aufstieg auf eine lange, versteinerte Sanddüne. Der Fels war glatt und golden, mit feinen Adern aus rotem Eisenoxid. Der Weg führte steil nach oben, doch der Griff des Gesteins war fest, trocken, und die Luft klar. Manche Wanderer kehrten hier um, aber ich kletterte weiter, Schritt für Schritt, bis ich auf dem Rücken der Düne stand. Von dort aus öffnete sich der Blick über eine Landschaft aus Felsnadeln, Bögen und wellenförmigen Rücken – eine Wüste aus Stein, die im Licht vibrierte.

Auf dem Weg zum Partition Arch säumten Felsnadeln den Pfad, bizarr geformt wie riesige Kathedralen. Als ich schließlich durch den Bogen trat, lag das Tal des Nationalparks tief unter mir, im flimmernden Nachmittagslicht. Der Wind war trocken, trug den Geruch von Staub und Salbei mit sich, und das Licht spielte auf den Steinen, als würde die Zeit selbst für einen Moment stillstehen.

Nicht weit entfernt lag der Navajo Arch, halb verborgen im Schatten, mit einem kleinen Wasserloch darunter. Das Wasser war still, ein dunkler Spiegel, der das rostrote Gestein über sich reflektierte.

Von dort führte der Pfad weiter durch ein Labyrinth aus namenlosen Bögen, schmalen Felsgängen und bizarren Fins, die wie versteinerte Flammen in den Himmel ragten. Das Sonnenlicht wurde kräftiger, fast orange, und ließ die Felsen glühen, während die Schatten in den Ritzen der Erde immer tiefer wurden.

Der primitive Weg

Hinter dem Navajo Arch begann der eigentliche Primitive Trail – ein Pfad, der seinem Namen alle Ehre macht. Der Weg wurde schmaler, der Sand tiefer, und die Sonne stand nun hoch über der Wüste. Das Licht flirrte in der heißen Luft, und die Felsen glühten in Schattierungen von Kupfer, Ocker und Gold. Der Wind legte sich, und für eine Weile war die Welt still, erfüllt nur vom feinen Knirschen meiner Schritte auf dem Sandstein.

Zwischen den Fins öffneten sich immer wieder enge Schluchten. Überall entdeckte ich Bögen, groß und klein, viele ohne Namen – geformt von Jahrtausenden aus Regen, Frost und Sonne. Ich kletterte auf einen langen Felsrücken, der sich wie eine steinerne Welle durch die Landschaft zog. Oben angekommen, blieb ich stehen. Vor mir breitete sich ein Meer aus Felsen aus – Rippen, Zacken und Nadeln aus rotem Stein, die sich bis zum Horizont erstreckten. Es war ein Anblick von atemberaubender Schönheit und urzeitlicher Stille.

Doch der Trail wurde anspruchsvoller. Einige Passagen waren mit feinem Sand bedeckt, der jeden Schritt unsicher machte. An einer Stelle drohte ich abzurutschen, konnte mich aber im letzten Moment an einem abgestorbenen Stück Holz festhalten. Es war, als hätte die Natur selbst mir eine Hand gereicht.

Kurz darauf kam ich an der Great Black Cave Arch vorbei – ein tiefer, dunkler Durchbruch im Fels, kühl und geheimnisvoll wie das Tor zu einer anderen Welt. Weiter unten im Tal glitzerte ein Wasserloch, und auf der linken Seite erhob sich eine glatte Felswand. Über ihr führte eine alternative Route, etwa eineinhalb Meter höher als das Wasser, doch der Übergang sah heikel aus. Statt das Risiko einzugehen, beschloss ich, den Felsen direkt hinaufzusteigen – rund sieben Meter hoch, glatt und steil.

Ich nahm Anlauf, spürte den festen Boden unter meinen Sohlen, und kletterte entschlossen nach oben. Der Sand machte es anfangs schwer, doch ich fand Halt an winzigen Unebenheiten und zog mich langsam hoch. Oben angekommen, hielt ich kurz inne und atmete tief durch. Auf der anderen Seite war der Abstieg einfacher – der Stein trocken, fest und ohne Sand.

Ein Stück weiter traf ich auf den Sphinx – eine Felsformation, deren Schatten und Konturen tatsächlich an ein uraltes, in Stein gemeißeltes Gesicht erinnerten. Leider stand die Sonne direkt hinter ihr, und das grelle Gegenlicht verwischte die Formen. Ich umrundete sie und machte einige Aufnahmen von der Seite, wo das Licht sanfter fiel.

Kurz danach erreichte ich wieder den Weg zur Landscape Arch, diesmal aus östlicher Richtung. Das Nachmittagslicht lag weich über den Felsen, und die Farben hatten sich verändert – das kräftige Rot des Mittags war einem warmen, goldenen Ton gewichen. Ich spürte die Stunden in meinen Beinen, aber auch eine tiefe Zufriedenheit.

Am Parkplatz angekommen, fuhr ich langsam Richtung Picknickplatz, stellte den Wagen ab und bereitete mir ein spätes Mittagessen zu. Die Sonne sank bereits tiefer, und das Licht über Devils Garden wurde milder, fast melancholisch.


Delicate Arch in der Abenddämmerung

Gegen 15:50 Uhr machte ich mich auf den Weg zum Fiery Furnace Viewpoint. Von dort aus sah die Landschaft dem Primitive Trail ähnlich – ein Gewirr aus glühenden Felsen und engen Schluchten, vom Licht der Nachmittagssonne zum Leuchten gebracht. Ich hielt an mehreren Stellen, unter anderem am Salt Valley, um Fotos zu machen.

Um 16:40 Uhr erreichte ich den Parkplatz des Delicate Arch Trails. Die Sonne stand nun tiefer, und ich begann den Aufstieg über die langen, schrägen Felsflächen. Um zwölf Minuten nach fünf stand ich am Delicate Arch – mehr als eine Stunde vor Sonnenuntergang.

Um zwölf Minuten nach fünf stand ich vor dem Delicate Arch, der vielleicht ikonischsten Formation im Park. Es erhob sich in perfekter Balance, eine freistehende Steinkurve, die sich vor den fernen, schneebedeckten La-Sal-Bergen abhebt. Die Luft war kühler geworden und hatte einen Hauch von Staub und Wacholder.

Ich sprach eine Weile mit einem Wanderer aus Massachusetts, während das Licht langsam weicher wurde. Die Sonne sank tiefer, und der Schatten wanderte über den Fels. Die Luft kühlte spürbar ab, doch die Stimmung blieb ruhig, fast feierlich.

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Eine Flamme aus Stein vor der untergehenden Sonne

Ich suchte mir einen Platz links vom Bogen, etwas erhöht, baute mein Stativ auf und richtete die Kamera aus. Als die Sonne schließlich den Horizont berührte, färbte sie den Stein in ein glühendes Rot, das fast unwirklich schien. Der Himmel hinter der La-Sal-Gebirgskette brannte in Orange und Purpur, während der Arch wie eine Flamme aus Stein erstrahlte. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen alles stimmt – Licht, Wind, Stille.

Als die Sonne verschwand, löste sich die Wärme augenblicklich auf. Ich packte meine Sachen, blickte noch einmal zurück auf den nun in kühles Blau getauchten Bogen und machte mich auf den Rückweg. Um kurz nach sieben saß ich im Auto und fuhr durch die Dunkelheit zurück zum Hotel.

Der Tag war lang gewesen – erfüllt von Licht, Bewegung und Staunen. In meinen Beinen spürte ich die Anstrengung, aber in meinem Kopf blieb das Bild dieser Landschaft: ein endloses Meer aus Stein und Licht, das mich noch lange begleiten würde.

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