
Ich verließ mein Hotel, das Wingate in Hurricane, um 6:20 Uhr am Morgen. Die Luft war noch kühl, und am Horizont glühte bereits das erste Licht der Morgendämmerung. Ich hatte am Vortag ein Permit für Angels Landing gewonnen – heute war mein Tag. Der Park verlangt, dass man vor 9 Uhr startet, und ich wusste, dass der Parkplatz beim Visitor Center früh voll ist.
Um Punkt 7 Uhr saß ich im ersten Shuttlebus in den Canyon. Jeder Platz war belegt – eine stille Prozession früher Wanderer, die eines der berühmtesten Ziele Amerikas erleben wollten. Ich wartete ein paar Minuten, nachdem ich ausgestiegen war, ließ die Menge vorauseilen und begann dann in Ruhe meinen Aufstieg.
Der Aufstieg beginnt
Von Beginn an ging es stetig bergauf. Die roten Sandsteinwände leuchteten im frühen Sonnenlicht, als würden sie von innen heraus glimmen. Die Felsen des Zion sind ein Wunder an Farbe und Struktur – tiefe Karminrot-, Orange- und Creme-Töne, Schicht um Schicht wie Wellen der Zeit. Das Licht flutete in den Canyon und vergoldete jede Oberfläche. Es wirkte fast heilig, als hätten die Berge ihre Farben vom Himmel selbst geliehen – oder vielleicht vom Herz der Erde.
Erster Teil – zum Scout Lookout
Nach fast einer Meile stetigen Anstiegs wurde der Pfad für kurze Zeit flacher – eine willkommene Pause vor den berühmten Serpentinen. Ich atmete tief durch und spürte neue Kraft. Nur das ferne Rufen von Raben hallte zwischen den Felsen wider.
Dann kamen die steilen, engen Serpentinen, die sich wie eine endlose Treppe in den Fels schneiden. Nach diesem Aufstieg machte ich eine Frühstückspause. Die Sonne stand nun höher und erhellte den Boden des Canyons weit unter mir.
Winzige Streifenhörnchen tauchten sofort auf, neugierig und erstaunlich mutig. Eines kletterte sogar mein Bein hinauf bis zu meinem Rucksack. Ich musste lachen, gab ihnen aber nichts – sie sollen wild bleiben, auch wenn andere Wanderer ihnen kleine Stückchen zusteckten.
Der steile und heikle Aufstieg
Nach dem Frühstück erreichte ich den ersten Abschnitt mit Eisenketten. Hier wurde der Aufstieg anspruchsvoller, die Ausgesetztheit spürbarer. Der Sandstein war an vielen Stellen glatt, poliert von unzähligen Händen und Sohlen. Ich nahm mir Zeit, bewegte mich ruhig, konzentriert, genoss den Weg und die Aussicht.
Kurz darauf fiel der Pfad etwas ab, um dann noch steiler und schmaler wieder anzusteigen. Eine französische Familie ging vor mir – die Mutter und die Töchter zögerten, ob sie weitergehen wollten. Der Vater sprach ruhig auf sie ein, und wenig später überholten sie mich an einer Fotostelle, lächelnd und unsicher zugleich.
Hier spürte ich erstmals die volle Steilheit und Höhe. Die Sonne brannte auf die orangefarbenen Felsen, das Licht ließ Schatten und Glanz tanzen. Dutzende Wanderer klammerten sich an die schmalen Grate, winzige Gestalten vor der mächtigen Felswand. Die Ketten glitzerten im Sonnenlicht, und aus der Ferne wirkte der Berg lebendig – erfüllt von Bewegung, Farbe und Willenskraft.
Der steile Aufstieg
Langsam setzte ich meinen Weg fort. Schon kamen mir Gruppen entgegen, erschöpft, aber glücklich. Ich hatte es nicht eilig – ich wollte jeden Blickwinkel, jeden Schatten genießen. Selbst junge, sportliche Wanderer hielten manchmal an, um zu verschnaufen. Es erinnerte mich daran, dass dieser Weg kein Wettlauf ist – man geht ihn im eigenen Rhythmus.
Der Pfad wurde noch schmaler, die Abhänge auf beiden Seiten steiler. Einige Passagen hatten Ketten, andere nicht. Als ich mich dem Gipfel näherte, frischte der Wind auf – kalt und schneidend. Um 9:30 Uhr stand ich schließlich oben, auf dem Grat von Angels Landing. Der Grat ist kaum zehn Meter breit, meist fällt er auf beiden Seiten ab – an manchen Stellen bleiben nur drei bis fünf Meter. Und dennoch wachsen hier ein paar Bäume, die sich mit unglaublicher Kraft festklammern. Einer fiel mir besonders auf: eine große Kiefer mit gewaltigen Wurzeln, die sich wie Adern um den Fels winden. Sie steht hier nur durch puren Lebenswillen.
Auf dem Gipfel
Ein kalter Wind fegte über den Grat – es war schließlich schon November. Ich blieb eine Weile stehen und blickte in alle Richtungen. Die Landschaft von Zion breitete sich majestätisch aus, die Felswände wirkten wie bemalte Kathedralen – jedes Muster ein Kunstwerk aus Zeit und Licht.
Nach einer Pause und ein paar letzten Fotos begann ich den Abstieg. Ich hielt an der gleichen Stelle wie zuvor und sprach mit einem jungen Paar, das überlegte, ob es weitergehen sollte. Ich erzählte ihnen von der Schönheit und der Herausforderung des Weges – dann ließ ich sie entscheiden.
Beim Abstieg spürte ich jeden Schritt in den Beinen. Am Shuttle-Stopp nahm ich den Bus zur Zion Lodge, hoffend auf einen kräftigen Espresso. Leider gab es keine Espressomaschine – also setzte ich mich in die Sonne, genoss die Wärme und den Anblick der gelb leuchtenden Baumwipfel vor den roten Felsen.
Zurück im Visitor Center und schließlich im Hotel spürte ich die Müdigkeit deutlich. Ich hatte schlecht geschlafen, und nun forderte der Tag seinen Tribut. Doch trotz der Erschöpfung war ich erfüllt von Dankbarkeit – für den Aufstieg, das Licht und die stille Größe von Zion.





















